Urban Health / StadtGesundheit
Zitierhinweis: Fehr, R. (2025). Urban Health/StadtGesundheit. In: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Zusammenfassung
Basierend auf einer integrativen (human-)ökologischen Perspektive strebt der Ansatz StadtGesundheit danach, Public Health in Theorie und Praxis konkret für die Gesundheit städtischer Bevölkerungen anzuwenden. Hier geht es sowohl um Erkenntnisse unter dem Leitprinzip Blickfelderweiterung als auch um Handlung, insbesondere im Sinne eines Brückenbaus. In Bezug auf Transdisziplinarität lassen sich hier neue zivilgesellschaftliche Arbeitsformen entwickeln. Der Beitrag erläutert die Entstehungszusammenhänge, Anwendungsfelder, Kernaufgaben und Perspektiven.
Schlagworte
StadtGesundheit, Urban Health, Gesunde Stadt, Stadtplanung, Umwelt und Gesundheit, Nachhaltigkeit, Transdisziplinarität, Gouvernance, Fallstudien
Urban Health/StadtGesundheit bezeichnet die Anwendung von Public Health-Theorie und -Praxis für die Gesundheit städtischer Bevölkerungen (Gesundheitswissenschaften / Public Health). Hierzu gehören v. a. folgende Teilthemen:
- Gesundheitszustand und (vermeidbare) Krankheitslast urbaner Bevölkerungen
- Gesundheitsdeterminanten aus der physischen und sozialen Lebens(um)welt in der Stadt: Chancen und Risiken
- Auswirkungen fehlender Gesundheit einschließlich Gestaltungs- und Versorgungsbedarfen
- Urbaner Gesundheitsschutz und urbane Gesundheitsförderung (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen)
- Krankheitsprävention, -behandlung und -Nachsorge
- Städtische Steuerungsprozesse (governance) und ihre Auswirkungen auf Gesundheit.
Die Fokussierung auf StadtGesundheit entspringt nicht etwa der Auffassung, dass Gesundheit auf dem Lande ein weniger wichtiges Thema ist. Vielmehr geht es darum, anhand von vertrauten Einheiten wie Stadt und Stadtteil die vielfältigen räumlichen Bezüge von Gesundheit und Krankheit (vgl. Augustin & Koller, 2017) ins Blickfeld zu nehmen; insofern ist Rural health/Gesundheit im ländlichen Raum ein natürliches Pendant zu Urban Health. Im Sinne einer integrativen ökologischen und humanökologischen Perspektive auf Gesundheit und Krankheit geht es programmatisch auch darum, dem komplexen und fragilen Verhältnis zwischen Mensch und städtischer Umwelt gerecht zu werden und dabei sowohl soziale Ziele (Hornberg et al., 2018) als auch ökologische Nachhaltigkeit (Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung) zu integrieren.
Konzeptionelle Grundlagen
Zu den konzeptionellen Grundlagen gehört u. a. das Prinzip gesundheitsfördernde Gesamtpolitik (Gesundheit in allen Politikfeldern/Health in all Policies) (Böhm et al., 2020; Trojan & Fehr, 2020). StadtGesundheit steht in Einklang mit weiteren zentralen Prinzipien der Gesundheitsförderung wie z. B. Gesundheitsbezogener Gemeinwesenarbeit (Sozialraum- und Gemeindeorientierung in der Gesundheitsförderung), lokaler Vernetzung und Anknüpfen an Ressourcen in der Lebenswelt sowie mit der kommunalen Perspektive (Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung). Mit sozialräumlicher Orientierung nimmt auch Urban Health die Gesundheits- und weiteren kommunalen Ämter sowie wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Institutionen in den Blick und bemüht sich um die Entdeckung und Nutzung vorhandener Ressourcen in Hinblick auf gesundheitliche Ziele.
Ausdrücklich anknüpfend an internationale (z. B. Duhl, 1963; Galea & Vlahov, 2005; Galea et al., 2019) und hiesige (z. B. Vogler & Kühn, 1957) Entwicklungen zu Urban Health ist StadtGesundheit ausgerichtet auf Blickfelderweiterung und Integration multipler Teilthemen und bildet somit einen sinnvollen Gegenpol zur stetig fortschreitenden Ausdifferenzierung. Ergänzend zur Gesundheitsförderung nimmt Urban Health auch Krankheiten und die medizinische Versorgungslandschaft in den Blick. Analog zu Public Health insgesamt kommt auch hier der (Stadt-)Epidemiologie eine Schlüsselrolle zu (Fehr et al., 2011; Bolte, 2018; Bolte et al., 2023). Ein wichtiges Ziel von StadtGesundheit liegt auch in der strategischen Verbindung von Stadtplanung und Gesundheit (Böhme et al., 2012; Köckler et al., 2023).
Die urbane Dichte, Komplexität und Dynamik beinhalten nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse auf menschliche Gesundheit und Krankheit (Ressourcen, Belastungen), sie modulieren auch die Folgewirkungen von (fehlender) Gesundheit wie z. B. spezifische Versorgungsbedarfe und Zugangserfordernisse. Bei aller Vielfalt von Themen und Wechselwirkungen lässt sich doch versuchen, einen ganzheitlichen Blick auf StadtGesundheit zu werfen. Zu berücksichtigen sind dabei medizinische Versorgung, Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung durch den Gesundheitssektor sowie die weiteren (über den Gesundheitssektor hinausgehenden) gesellschaftlichen Gesundheitsbezüge (Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik/Healthy Public Policy). Dies belegen integrativ angelegte Fallstudien (z. B. Fehr & Augustin, 2022; Köckler et al., 2024).
Der umfassende Blick auf StadtGesundheit kann die Orientierung von Akteurinnen und Akteuren über bestehende Strukturen und laufende Prozesse verbessern; er kann kritische Analysen und Vergleiche z. B. zum Zusammenspiel der Komponenten unterstützen, ggf. Priorisierungen ermöglichen und in der städtischen Zivilgesellschaft das Thema Gesundheit solide verankern.
Für StadtGesundheit als Denkansatzlautet das Leitprinzip Blickfelderweiterung; für den entsprechenden Handlungsansatz steht das Leitprinzip Brückenbau im Mittelpunkt, insbesondere der Brückenbau zwischen wissenschaftlichen Disziplinen und (stadt-)gesellschaftlichen Sektoren (Fehr & Hornberg, 2023).
Entstehungszusammenhänge
Über die gemeinsamen Wurzeln von Stadtplanung und Public Health hinaus lassen sich mehrere Entstehungszusammenhänge unterscheiden:
- Das Konzept StadtGesundheit erkennt die wachsende Bedeutung urbaner Lebenswelten an. Städte sind im 21. Jahrhundert zur weltweit dominanten Siedlungsform geworden. Als ausgewählte Kennzeichen des Stadtlebens seien genannt:
- Hohe Bevölkerungs- und Nutzungsdichte mit der Folge kurzer Wege und guter Erreichbarkeit z. B. von Kontaktpersonen und Einrichtungen
- Heterogenität städtischer Populationen samt Herkunft, Lebensstilen und -lagen, insbesondere auch kulturelle und soziale Diversität
- Komplexität urbaner Ströme von Energie, Materie und Informationen sowie urbaner Versorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrssysteme, bei raschem Wandel u. a. in physischer (z. B. Klimawandel), technologischer (z. B. Digitalisierung), ökonomischer (einschließlich Krisen) und sozialer Hinsicht (einschließlich wachsender Spaltung und sozialer Verdrängung).
- StadtGesundheit befasst sich u. a. mit gesundheitlich bedeutsamen städtischen Besonderheiten. Exemplarisch erwähnt seien:
- Aus der hohen Dichte resultierende Einbindungs- und Zugangschancen, bei gleichzeitig gesteigerten Expositions- und Verbreitungschancen für Krankheitserreger, physikalischer und chemischer Noxen sowie Rauschmittel
- Spezielle Anforderungen an die Kommunikation mit heterogenen urbanen Populationen; ebenso Anpassung weitergehender Maßnahmen an ethnische und kulturelle Gegebenheiten
- Angesichts komplexer urbaner Systeme sowie des multiplen urbanen Wandels besteht ein gesteigerter Bedarf an Umsicht und Vorausschau bezüglich physischer und mentaler Gesundheit.
- Urbane Umwelt unterliegt – teils formal geplant, teils als Zusammenspiel unterschiedlicher Einflüsse – einer steten Entwicklung. Stadt- und Umlandplanung sowie städtische und metropolregionale Entwicklungsprozesse bieten Ansatzpunkte und Gestaltungschancen für Schutz und Förderung der Gesundheit urbaner (Teil-)Populationen (Baumgart & Rüdiger, 2022; Augustin et al., 2024). Städtische und regionale Steuerungsprozesse u. a. zur Stadtplanung, -entwicklung und -sanierung sowie Metropolentwicklung betreffen das gesamte Spektrum von Politik-Sektoren (samt Teilen der Zivilgesellschaft, Wirtschaftsbranchen, Ministerien und Ämtern), die Hierarchie administrativer Ebenen von lokal bis global sowie eine Vielzahl von Strategien und Werkzeugen, darunter auch dynamische urbane Systemmodelle, mit deren Hilfe sich z. B. Ansätze zur Energie- oder Verkehrswende und deren Auswirkungen auf Gesundheit untersuchen lassen. Inhaltlich geht es u. a. um Positionsbestimmung durch städtische Gesundheitsberichterstattung über Sachstand und Trends sowie um Zielauswahl und „Kurshalten“, z. B. durch städtische Leitbilder, Szenarienbildung, übergreifende Planungen und spezifische Fachplanungen (auch für Gesundheit). Auch hier ist umsichtige Vorausschau z. B. durch frühzeitiges Erkennen von „Kollisionskursen“ (Nutzungskonflikten) eine zentrale Steuerungsaufgabe, wobei Folgenabschätzungen (Health Impact Assessment [HIA]/Gesundheitsverträglichkeitsprüfung), Performance-Analysen und Evaluationen hilfreich sind. Die Relevanz von StadtGesundheit liegt u. a. darin, die Rolle des Themas Gesundheit bei städtischer Planung und Entwicklung im gesamten gesundheitspolitischen Aktionszyklus (Public Health Action Cycle/Gesundheitspolitischer Aktionszyklus) zu stärken. Als wichtiges Einzelthema sei städtische Nachhaltigkeit genannt. Die Doppelrolle von Städten als Verursacher und Betroffene von globalen Umweltveränderungen steht außer Frage. Hier werden Wachstumsgrenzen spürbar und hier entstehen Impulse sozial-ökologischer Transformation. Nach jahrzehntelangen, u. a. auf die Brundtland-Kommission (WCED, 1987) und die Rio-Konferenz (UN, 1993) zurückgehenden Vorarbeiten hat das Thema viele Städte erreicht. Angesichts enger inhaltlicher Verbindungen bietet es sich an, die Ziele Nachhaltigkeit und Gesundheit in enger Koordination zu verfolgen.
- Der Begriff StadtGesundheit ist in hohem Maße anschaulich und eingängig. Das Konzept wird sowohl in Fachkreisen als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit meist schnell und richtig verstanden. Instruktiv-anschauliche Vergleiche generell bekannter sozialräumlicher Einheiten wie Stadtteile, Städte und Metropolregionen sowie Vergleiche im Rahmen von Städtepartnerschaften bieten sich an. Zusätzliche Möglichkeiten der Visualisierung von StadtGesundheit bieten die in großer Zahl und Vielfalt existierenden analogen (physisch modellierten) und digitalen (computer-modellierten) Stadtmodelle, die bisher oft auf Gebäude, Verkehrswege und Vegetation beschränkt sind. Hier könnten und sollten Menschen „einziehen“; urbane gesundheitliche Ressourcen und Belastungen sowie deren Auswirkungen auf Wohlbefinden, Morbidität und Mortalität könnten dargestellt werden. Ansätze hierzu bestehen u. a. für Lärm- und Luftbelastung, ließen sich aber viel umfassender für Gesundheitsthemen nutzen. Stadträume laden auch dazu ein, für unterschiedliche Zwecke von Ausbildung, Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachplanung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit benutzt zu werden, wobei das Spektrum von kleinen Begehungen bis hin zu umfangreichen Exkursionen reicht.
Anwendungsfelder und Kernaufgaben
Im internationalen Raum ist Urban Health ein etabliertes Themen- und Arbeitsfeld. In der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existiert seit 1987 das Healthy Cities-Netzwerk. Für die WHO Commission on Social Determinants of Health erstellte das Knowledge Network on Urban Settings im Jahr 2007 den Bericht „Our cities, our health, our future” (Kjellstrom et al., 2007). Neben der International Society for Urban Health (ISUH) behandeln auch andere Fachgesellschaften das Thema, z. B. die European Public Health Association (EUPHA) in ihrer Sektion Urban Health. Innerhalb des auch auf Entscheidungsträger ausgerichteten Global Health Hub existiert eine Global Urban Health Hub Community. Zur InterAcademyPartnership als Zusammenschluss von (nationalen) Akademien weltweit gehört eine IAP Urban Health Working Group. Noch im Aufbau befindet sich eine Global Urban Systemic Health Partnership.
In Deutschland war das Thema Stadt(entwicklung) und Gesundheit über längere Zeit hinweg wenig sichtbar. Ausnahmen bildeten das Gesunde Städte-Netzwerk sowie Ansätze der Gemeindeorientierung und gesundheitsbezogenen Gemeinwesenarbeit. In den letzten Jahren wurden die Stärken dieses Ansatzes neu entdeckt, was sich u. a. im Arbeitskreis Planung für gesundheitsfördernde Stadtregionen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) spiegelte.
Im Rahmen einer mehrjährigen Förderinitiative beim Deutschen Stiftungszentrum unterstützt die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung seit 2011 das Forschungsprogramm „Stadt der Zukunft – Gesunde, nachhaltige Metropolen“ mit mehreren Juniorforschungsgruppen, einer Serie von Fachtagungen und einem Sonderprojekt zum „disziplinären und sektoralen Brückenbau“ (Zerbe et al., 2023). Wie sich zeigte, befassen sich inzwischen verschiedene Institutionen in Deutschland mit dem Thema StadtGesundheit (darunter Universitäten, öffentliche Einrichtungen, Institute, Fachgesellschaften, Verbände und Vereinigungen).
Im Rahmen des genannten Forschungsprogramms (www.stadt-und-gesundheit.de; www.urban-health.de) geht es u. a. um die Themen Stadtgrün und Stadtblau (Claßen et al., 2018; Säumel & Butenschön, 2018; Kistemann et al., 2023), soziale Ungleichheit (Köckler et al., 2018) und (generationengerechte) Stadtgestaltung (Conrad et al., 2018; Köckler et al., 2023). Ferner ist aus der Einheit Urbane Epidemiologie am Profilschwerpunkt Urbane Systeme der Universität Duisburg-Essen inzwischen das Institute for Urban Public Health (InUPH) entstanden, das sich z. B. mit der akustischen Qualität urbaner Umgebungen befasst (Möbus et al., 2020).
Drei Kernaufgaben von StadtGesundheit lassen sich benennen:
- Bewusste Wahrnehmung städtischer Gruppen mit unterschiedlichem gesundheitsbezogenem Unterstützungsbedarf (u. a. Wohnungslose, Flüchtlinge, Pendler und Pendlerinnen sowie Stadtbesucher und -besucherinnen) mit ihren Lebensphasen, (gesundheitsbezogenen) Lebenslagen und -ereignissen, die allesamt durch die urbane Umwelt mitgeprägt werden (Lebenslagen und Lebensphasen)
- Analyse städtischer Lebens(um)welten (Settingansatz/Lebensweltansatz) mit jeweils physischer (mehr oder weniger natürlicher/anthropogen umgestalteter) und sozialer Dimension
Urbane Steuerung (governance) mit der Dreigliederung Steuerung medizinischer Versorgung, Steuerung von Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung im Gesundheitssektor sowie Steuerung von Strukturen und Prozessen außerhalb des Gesundheitssektors mit Auswirkungen auf Gesundheit.
StadtGesundheit erfordert ein konsequentes Zusammenspiel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und Stadtsektoren. Für StadtGesundheit bedeutsame Themen außerhalb des Gesundheitssektors sind:
- Stadtplanung, Fachplanungen
- Demographie einschließlich Verschiebungen der Altersstruktur, Zu- und Abwanderung
- Wohnungswesen
- Bildung und Erziehung in Kindergärten, Schulen, Bildungseinrichtungen
- Städtische Wirtschaft, Arbeitswelt
- Ver- und Entsorgung, einschließlich (Ab-)Wasser und Energie
- Verkehrswesen einschließlich des Öffentlichen Personennahverkehrs
- Soziale Arbeit in der Stadt, Obdachlosen- und Flüchtlingshilfe, Frauenhäuser
- Grundrechte, (Umwelt-, Gesundheits-)Gerechtigkeit, Segregation, Verdrängung
- Rechtsordnung, Rechtsprechung, Vollzug, Bewährungshilfe
- Städtisches Polizei- und Ordnungswesen
- Feuer-, Unfall-, Verbraucherschutz
- Freizeit und Erholung
- Urbane Flora (Wild-, Nutz-, Zierpflanzen) und Fauna (Wild-, Haus-, Nutztiere, Vektoren)
- Ökosysteme und Biodiversität
- Städtische Raumnutzung, Grün- und Blauflächen, Altlasten, Nutzungskonflikte
- Urbane Meteorologie inkl. Extremwitterung, Klimawandel, -schutz, -anpassung
- Städtischer Umweltschutz, Luft-, Wasser-, Bodenverunreinigungen, Lärm, Strahlung.
Konzepte von Transdisziplinarität lassen sich nicht nur auf Forschungsarbeiten zur StadtGesundheit (Kirst et al.,2011), sondern auch auf zivilgesellschaftliche Diskussionsprozesse anwenden. So bildete sich im Rahmen einer Hamburger Initiative für nachhaltige StadtGesundheit u. a. eine Themengruppe bei der Patriotischen Gesellschaft von 1765 – Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe. Diese seit 2019 ehrenamtlich arbeitende Gruppe entwickelte beispielsweise eine Poster-Serie unter dem Motto Verkehrspolitik ist auch Gesundheitspolitik; sie organisiert außerdem Workshops und Exkursionen (Trojan & Fehr, 2020; Müller-Bagehl et al., 2024).
Resümee und Ausblick
Zu den traditionellen Problemen des Themen- und Arbeitsfeldes StadtGesundheit gehört die notorisch schwache Stellung des Themas Gesundheit in der Konkurrenz mit anderen Politikbereichen und die immer noch verbreitete Reduktion des Handelns auf Aspekte der medizinischen Versorgung und des persönlichen Verhaltens. Gleichwohl ist das Konzept geeignet, der Gesundheitsförderung und Prävention durch Gesundheitsdienste wie auch durch intersektorale, ressortübergreifende Maßnahmen stärkere Geltung zu verschaffen. Unverkennbar besteht ein Bedarf, die Wahrnehmung von StadtGesundheit in Fachkreisen und Öffentlichkeit z. B. durch geeignete Fallstudien zu fördern und strategische Kooperationen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure einschließlich des öffentlichen Gesundheitsdienstes weiterzuentwickeln. Für die Rezeption über engere Fachkreise hinaus sind Darstellungen wertvoll, welche wesentliche Erkenntnisse fundiert, aber auch anschaulich darstellen (z. B. Adli, 2017).
Schon jetzt dürfte der integrative Ansatz von StadtGesundheit hilfreich sein, um aktuelle städtische Herausforderungen besser in ihrer systemischen Verflochtenheit zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Detaillierte Empfehlungen und Forderungen betreffen u. a. eine integrierte Berichterstattung, ressortübergreifendes Verwaltungshandeln sowie Expertise-Netzwerke (Baumgart et al., 2018).
Beim International Urban Health Summit im April 2025 in Hannover wurden folgende thematische Prioritäten für StadtGesundheit − jeweils mit Konkretisierungen − benannt: Governance; neue Ansätze in Forschung, Lehre und Praxis; Engagement auf lokaler Ebene; Raumbezug; und Umgang mit Gaps bezüglich Datenzugang, KI-Anwendungen, Evaluationen, Ausbildung und Kommunikation (Boufford & Fears, 2025, S. 15−17).
Inwieweit es gelingen wird, systemtheoretische Urban Health-Ansätze (Gatzweiler et al., 2017) praktisch nutzbar zu machen und dabei auch den sozialen und ökologischen Zielen von StadtGesundheit gerecht zu werden, muss sich noch erweisen.
Literatur:
Adli, M. (2017). Stress and the city. Warum Städte uns krank machen. Und warum sie trotzdem gut für uns sind. C. Bertelsmann Verlag.
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Augustin, J. & Koller, D. (Hrsg.). (2017). Geografie der Gesundheit. Die räumliche Dimension von Epidemiologie und Versorgung. Hogrefe Verlag.
Baumgart, S., Böhme, C., Claßen, T., Dilger U. et al. (2018). Planung für gesundheitsfördernde Städte – ein Ausblick. In S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger & A. Rüdiger (Hrsg.), Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08 (S. 422–428). Verlag der ARL.
Baumgart, S. & Rüdiger, A. (2022). Gesundheit in der Stadtplanung. Instrumente, Verfahren, Methoden. (Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region, Band 4). Oekom Verlag.
Böhm, K., Bräunling, S., Geene, R. & Köckler, H. (Hrsg.). (2020). Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Konzept Health in All Policies und seine Umsetzung in Deutschland. Springer VS.
Böhme, C., Kliemke, C., Reimann, B. & Süß, W. (Hrsg.). (2012). Handbuch Stadtplanung und Gesundheit. Hogrefe Verlag.
Bolte, G. (2018). Epidemiologische Methoden und Erkenntnisse als eine Grundlage für Stadtplanung und gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. In S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger & A. Rüdiger (Hrsg.), Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08 (S. 118–134). Verlag der ARL.
Bolte, G., Moebus, S. & Fehr, R. (2023). Stadtepidemiologie als integrativer Ansatz für eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. Gesundheitswesen 85(Suppl. 5), S. 287–295. doi.org/10.1055/a-2156-4305
Boufford, J. I. & Fears, R. (2025). Report International Urban Health Summit/IUHS. 9–11 April 2025 Herrenhausen Palace, Hanover, Germany. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, InterAcademyPartnership, International Society for Urban Health, Volkswagen Stiftung. Zugriff am 06.10.2025 unter https://urbanhealth.bbaw.de/fileadmin/Webdateien/Dateien/Report_International_Urban_Health_Summit_final.pdf
Claßen, T., Baumeister, H., Heiler-Birk, A., Matros, J., Pollmann, T., Völker, S., Kistemann, T., Krämer, A., Lohrberg, F. & Hornberg, C. (2018). Stadtgrün und Stadtblau in der gesunden Kommune. Die Forschungsgruppe „StadtLandschaft und Gesundheit“. In R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.), Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren (Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region, Band 1, S. 237–263). Oekom Verlag. doi.org/10.14512/9783962385064
Conrad, K., Oswald, F., Penger, S., Reyer, M., Schlicht, W., Siedentop, S. & Wislowsky, D. (2018). Urbane Mobilität und gesundes Altern. Personen- und Umweltmerkmale einer generationengerechten Stadtgestaltung. Zur Arbeit der Forschungsgruppe autonomMOBIL. In R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.), Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren (Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region, Band 1,S. 291–319). Oekom Verlag. doi.org/10.14512/9783962385064
Duhl, L. (Ed.). (1963). The urban condition. People and policy in the metropolis. Basic Books.
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Möbus, S., Gruehn, D., Poppen, J., Sutcliffe, R., Haselhoff, T. & Lawrence, B. (2020). Akustische Qualität und StadtGesundheit – Mehr als nur Lärm und Stille. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz63, S. 997–1.003. doi.org/10.1007/s00103-020-03184-x
Müller-Bagehl, S., Fehr, R. & Trojan, A. (2024). Arbeitskreis Nachhaltige StadtGesundheit: Eine gesunde Stadt für alle. In Patriotische Gesellschaft von 1765 (Hrsg.), Demokratie in Hamburg – Geschichte und aktuelle Initiativen. Jahrbuch 2023/2024 (S. 77−78). Zugriff am 06.10.2025 unter www.patriotische-gesellschaft.de/publikationen/demokratie-hamburg-geschichte-und-aktuelle-initiativen
Säumel, I. & Butenschön, S. (2018). HealthyLiving: Strategie und Planungsinstrument für gesundheitsförderndes Wohnumfeldgrün in der Stadt der Zukunft. In R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.), Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren (Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region, Band 1, S. 321–333). Oekom Verlag. doi.org/10.14512/9783962385064
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Vogler, P. & Kühn, E. (Hrsg.). (1957). Medizin und Städtebau. Ein Handbuch für gesundheitlichen Städtebau. Urban & Schwarzenberg.
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Weiterführende Literatur
Baumgart, S., Köckler, H., Ritzinger, A. & Rüdiger, A. (Hrsg.). (2018). Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Nr. 8. Verlag der ARL.
Corburn, J. (2021). Cities for life. How communities can recover from trauma and rebuild for health. Island Press.
Fehr, R. & Hornberg, C. (Hrsg.). (2018). StadtderZukunft–GesundundNachhaltig.Brückenbau zwischenDisziplinenundSektoren (EditionNachhaltigeGesundheitinStadtundRegion, Band1). Oekom Verlag. doi.org/10.14512/9783962385064
Fehr, R. & Augustin, J. (Hrsg.) (2022). Nachhaltige StadtGesundheit Hamburg II – Neue Ziele, Wege, Initiativen (Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region, Band 5). Oekom Verlag. doi.org/10.14512/9783962389512
Galea, S., Ettman, C. K., Vlahov, D. (Eds.). (2019). Urban Health. Oxford University Press.
Internetadressen:
Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), mit Arbeitskreis Planung für gesundheitsfördernde Stadtregionen: www.arl-net.de/de/blog/planung-f%C3%BCr-gesundheitsf%C3%B6rdernde-stadtregionen
Forschungsprogramm Stadt der Zukunft – Gesunde, nachhaltige Metropolen: www.stadt-und-gesundheit.de; www.urban-health.de
Global Health Hub, mit Global Urban Health Hub Community: www.globalhealthhub.de
Global Urban Systemic Health Partnership: www.urbansystemichealthpartnership.org
Hochschule Bochum, Fachbereich Gesundheitswissenschaften/Urban Health digiSpace: www.urbanhealth-digispace.de
Institut für Urban Public Health (InUPH): inuph.uk-essen.de
InterAcademyPartnership, mit IAP Urban Health Working Group: www.interacademies.org
International Society for Urban Health (ISUH): www.isuh.org
Forschungsprogramm Stadt der Zukunft: Stadt und Gesundheit: www.stadt-und-gesundheit.de
Forschungsprogramm Urban Health: www.urban-health.de
WHO/Fact sheet Urban Health: www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/urban-health
WHO/Urban Health capacity assessment and response −resource kit: www.who.int/teams/social-determinants-of-health/urban-health/urban-health-capacity-assessment-and-response
Verweise:
Gesundheit in allen Politikfeldern / Health in All Policies (HiAP), Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik / Healthy Public Policy, Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsschutz, Gesundheitswissenschaften / Public Health, Health Impact Assessment (HIA) / Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA), Lebenslagen und Lebensphasen, Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung, Ökologische und humanökologische Perspektive, Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus, Rural health / Gesundheit im ländlichen Raum, Settingansatz/Lebensweltansatz, Sozialraum- und Gemeindeorientierung in der Gesundheitsförderung
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