Präventionsparadox
Zitierhinweis: Franzkowiak, P. (2025). Präventionsparadox. In: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Zusammenfassung
Das Präventionsparadox ist ein grundlegendes Dilemma in der bevölkerungsbezogenen Prävention, wirksam v. a. in der Verhaltensprävention bei nicht-übertragbaren Krankheiten sowie bei Impfkampagnen. Es hat einen doppelten Kern: Zum einen ist der Nutzen bevölkerungsbezogener Maßnahmen, z. B. bei Risikofaktoren-Screenings, nicht äquivalent mit dem spürbaren präventiven Nutzen für einzelne Menschen. Zum anderen können präventive Interventionen, die einer kleinen Risikogruppe einen hohen Nutzen bringen, für große Gruppen oder Bevölkerungsteile geringe bis gar keine positiven Effekte haben. Zur Lösung wird eine spezifisch zugeschnittene, abgestufte Kombination zweier komplementärer Strategien empfohlen: der Bevölkerungs- und Teilpopulationsstrategie und der (Hoch-)Risiko-Strategie. Neuere Kritik thematisiert die Vernachlässigung sozialer Determinanten insbesondere in der Bevölkerungs- und Teilpopulationsstrategie (Inequality Paradox, Soziales Dilemma der Gesundheitsförderung).
Schlagworte
Präventionsparadox, Prävention, Übertragbare Krankheiten, Impfschutz, Zielgruppen, Hochrisikostrategie, Bevölkerungsstrategie, Soziale Determinanten von Gesundheit, COVID-19-Pandemie
Das sogenannte Präventionsparadox wurde zuerst Anfang der 1980-er Jahre vom britischen Epidemiologen Geoffrey Rose beschrieben – am Beispiel der koronaren Herzkrankheit. Es stellt ein grundlegendes Dilemma der bevölkerungs- und risikogruppenbezogenen Prävention und Krankheitsprävention dar.
Das Präventionsparadox äußert sich demnach in zwei wechselseitigen epidemiologischen Tatsachen (Rose, 1981; 1985):
- Präventive Maßnahmen, die für die Bevölkerung und Gemeinschaften einen hohen Nutzen bringen, bieten dem einzelnen Menschen wenig.
- Präventive Maßnahmen, die einer kleinen (Risiko-)Gruppe einen hohen Nutzen bringen, haben für große Gruppen und Bevölkerungen einen geringen bis gar keinen (positiven) Nutzen.
Präventionsparadox bei nicht-übertragbaren Krankheiten und in der Früherkennung
Wenn viele Einzelne mit geringem Risiko (z. B. grenzwertiger Bluthochdruck, leicht auffälliger LDL- und Gesamtcholesterin-Spiegel, Prä-Adipositas mit einem BMI zwischen 25 und 29, Prä-Diabetes) eine präventive Maßnahme durchführen, nützt diese auch der Gesamtpopulation in der Regel viel. Denn so wird bei einer großen Zahl von Menschen die Häufigkeit kardiovaskulärer Krankheitsereignisse oder vorzeitiger Todesfälle langfristig gesenkt. Hingegen erfährt eine Einzelperson mit leichtem Risiko nur selten einen direkten Nutzen durch kurz- oder mittelfristige Verbesserungen der Gesundheit oder durch eine Verlängerung ihrer behinderungsfreien Lebenszeit.
Anders stellt sich die Lage für Interventionen bei kleinen Gruppen mit hohem Risiko dar, z. B. bei Menschen mit Adipositas Grad I/II oder bei Patientinnen und Patienten mit manifester Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus Typ II oder einem Metabolischen Syndrom. Hier ist der individuelle Gesundheitsgewinn durch Früherkennung, Frühbehandlung und tertiäre Prävention ungleich höher als bei Menschen mit mittlerem und niedrigerem Risiko. Allerdings ergibt sich für die Gesamtpopulation kein vergleichbar großer Effekt.
Roses Präventionsparadox gilt für alle medizinischen Interventionen und Zielsetzungen, die auf bekannten und gesicherten Risikofaktoren (Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell) basieren. Methodisch ist es besonders relevant für Maßnahmen der Verhaltensprävention. Das Paradox zeigt sich zum Beispiel bei Lebensstil-Empfehlungen mit dem Ziel einer Cholesterin-, Blutdruck- oder Blutzuckersenkung. Ebenso zeigt es sich für Gewichtsreduktion, Nichtraucherförderung oder die Bewegungsförderung sowie für das vertragsärztliche Versorgungsangebot der Früherkennungsuntersuchungen.
Es gilt weiterhin für Maßnahmen in der Krankenhaus- oder Pflegehygiene gegen Erreger, die gegen Antibiotika mehrfach resistent sind (MRSA/ORSA) und betrifft Maßnahmen des Arbeits-, Gesundheits- und Klimaschutzes. Gleichermaßen ist es wirksam bei straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zum Tragen von Schutzhelmen auf Krafträdern, zum Anlegen von Sicherheitsgurten oder zur Aktivierung von Rückhaltesystemen für Rollstuhlnutzerinnen und -nutzer in Kraftfahrzeugen.
Präventionsparadox im Impfschutz
Das Paradox gilt auch für den bevölkerungsbezogenen Impfschutz (z. B. Kombinationsimpfungen bei Kleinkindern gegen Masern, Influenza oder das SARS-Cov2-Virus) sowie die Infektions-/Impfepidemiologie – hier jedoch mit einer anders gelagerten Begriffsverwendung. Wird gegen eine Infektionskrankheit geimpft und ist die Impfung in der Bevölkerung akzeptiert, sinkt in der Folge die Inzidenz. Dadurch verliert sich allmählich das klinische Bild der Erkrankung im Bewusstsein der Bevölkerung. Die Krankheit wird (scheinbar) unsichtbar. Auch das reale Gesundheitsrisiko ist durch die fehlende klinische Erscheinung nicht (mehr) im Bewusstsein. Zugleich erscheinen Nebenwirkungen der Impfungen sowie seltene Impfschäden gravierender als die Infektionskrankheit selbst. Auch schützt eine durch konsequente Impfungen entstandene Herdenimmunität die Nicht-Geimpften, was oft nicht zu Gunsten der Impfung interpretiert wird.
All dies kann zu einem Vertrauensverlust führen, mit der Folge sinkender Impfbereitschaft, verringerter Impfquoten und partieller Impfverweigerung bzw. offener Gegnerschaft (z. B. bei Masern, in jüngerer Zeit auch bei COVID-19). Dadurch kann es zu neuen Ausbrüchen kommen, wobei diese die Impfbereitschaft möglicherweise wiederum steigern. Die Paradoxie wird in der Public Health-Ethik seit längerem unter dem Aspekt potenzieller (Impf-)Zwangsmaßnahmen bei Gesunden problematisiert und kontrovers diskutiert. Sie hat im Rahmen der COVID-19-Pandemie und den öffentlichen Debatten um Impf- und Testpflichten drängende Aktualität gewonnen.
Bevölkerungsstrategien und (Hoch-)Risikostrategien
Aus Public Health-Sicht und in der Epidemie- und Pandemiebekämpfung ist eine bevölkerungsweite Intervention bei Erfolg lohnender als ein primär auf (hoch) riskierte Teilgruppen abzielendes Vorgehen. Nach Rose verhindert eine bevölkerungsweite Strategie mehr Krankheitsereignisse oder vorzeitige Todesfälle. Sie wendet sich an alle Menschen bzw. an größere Teilpopulationen, ungeachtet der individuellen Erkrankungswahrscheinlichkeit. Mit der Größe der Gruppe sinkt der Anteil derjenigen Menschen, die einen direkten gesundheitlichen Nutzen erfahren, doch ist der epidemiologische Nutzen höher, da – wie Rose exemplarisch am Beispiel der koronaren Herzkrankheit zeigen konnte – die Zahl der vermiedenen bzw. geretteten Fälle größer wird. Dabei wird eine große Zahl von Personen untersucht, immunisiert und/oder zur Änderung des Verhaltens bewegt, die auch ohne Screening bzw. Verhaltensänderung keine Erkrankung erlitten hätten. Mit zunehmender Orientierung auf kleinere Gruppen von Risikoträgern und besonders gefährdeten Menschen (Risikogruppenstrategie) werden präventive Maßnahmen aufwändiger und komplexer.
Epidemiologisch folgt die Verteilung der Risikoniveaus für die wichtigsten Krankheitsfaktoren einem Kontinuum, bei dem sich die relativ kleine Zahl von Personen mit hohem Risiko am äußersten Ende befindet. Eine große Zahl von Personen mit mäßig erhöhtem Risiko befindet sich in der Mitte und am anderen Ende des Kontinuums. Sie trägt mehr Fälle bei als eine kleine Zahl mit extremem Risiko. Maßnahmen, die sich an die Allgemeinbevölkerung richten und darauf abzielen, die Risikokurve nach links zu verschieben, sind daher epidemiologisch wirksamer als Maßnahmen, die sich vorwiegend an Hochrisikogruppen richten (siehe Abb. 1).

Ansätze zur Lösung des Präventionsparadoxons
Zur Lösung des Präventionsparadoxons empfehlen sich jeweils spezifisch zugeschnittene und abgestufte Kombinationen von Bevölkerungs- und Teilpopulationsstrategien mit Hoch-Risiko-Strategien (WHO, 2002; Walter et al., 2023). Eine Bevölkerungs- und Teilpopulationsstrategie wird differenziert umgesetzt unter Berücksichtigung epidemiologischer und sozialökologischer Mediatorvariablen (z. B. Alter, Geschlecht, sozialer Status und Bildungsstatus, Lebensweise, Gesundheitsverhalten, präventivmedizinischer und immunologischer Risikostatus). Das Krankheitsrisiko einer oder eines Einzelnen steht nicht im Mittelpunkt. Primär ist die Intervention gegen gesicherte Ursachen, Vorläufer und Risikofaktoren von Krankheitsinzidenzen bei möglichst vielen Menschen. Maßnahmen der Bevölkerungs- und Teilpopulationsstrategie müssen für jede Person gelten und anwendbar sein, und sie sollten ohne schädliche Nebenwirkungen sein.
Die Hoch-Risiko-Strategie hingegen beinhaltet das Suchen und die gezielte Behandlung von Risikoträgerinnen und -träger bzw. Patientinnen und Patienten. Solche Personen machen nur einen geringen Prozentsatz aus, profitieren aber aufgrund ihres hohen absoluten Risikos sehr stark auch von aufwändigen präventiven Maßnahmen.
Eine absolute Gegenüberstellung der Idealtypen erscheint nicht sinnvoll. Nützlicher ist die Annahme eines Kontinuums mit vielen Zwischenstufen zwischen beiden Endpunkten, in Abhängigkeit vom jeweiligen Krankheitsrisiko. Daher ist es mittlerweile üblich, im Hoch-Risiko-Strategie-Ansatz noch weiter zwischen einer Risikogruppenstrategie und einer Hochrisikopersonenstrategie zu differenzieren (Walter et al., 2023; vgl. Tab. 1, zweite und dritte Zeile). In größer angelegten verhaltenspräventiven Interventionsstudien, z. B. zur Herz-Kreislauf- oder Krebsprävention, werden i. d. R. alle Ansätze mit ihren jeweiligen Differenzierungen kombiniert.
Strategie | Zielgruppe | Selektion | Maßnahme | Beispiel | Besonderheiten |
Bevölkerungsgruppenstrategie | Gesamte Bevölkerung | Keine | Universell, für jeden nützlich und i. d.R. ohne professionelle Hilfe einfach durchführbar, i. d. R. Information | Gurtpflicht beim Autofahren, oralpräventive Maßnahmen, Kampagnen zur Kondomverwendung, Strategien zur Vermeidung von Tabakkonsum bei Kindern und Jugendlichen | Hohe Interferenz mit Nichtbetroffenen |
Risikogruppenstrategie | Populationen mit erhöhtem Gesundheits- bzw. Erkrankungsrisiko | Gezielte Auswahl der Zielgruppen | Intervention besonders für Teilgruppen sinnvoll, z. T. Anleitung und Unterstützung erforderlich | Tabakentwöhnungsmaßnahmen für Schwangere, Beratung zur Neurodermitis-Prävention bei (werdenden) Eltern mit familiärem Risiko, Grippeimpfung bei Älteren | Geringe Interferenz mit Nichtbetroffenen |
Hochrisikopersonenstrategie | Personen mit sehr hohem Erkrankungsrisiko bzw. mit bereits eingetretener Erkrankung (Sekundär- oder Tertiärprävention) | Starke Einschränkung der Zielgruppe durch gezielte Auswahl | Individuelle Anpassung der Maßnahme, z. T. intensiv und auch belastend | Rückenschulen bei Personen mit chronifizierenden Rückenschmerzen, Bewegungs-, Ernährungs- und Stressmanagement bei Myokardinfarkt-Ersterkrankungen | Geringe oder keine Interferenz mit Nichtbetroffenen, höhere Kosten für den Betroffenen, i. d. R. höhere Akzeptanz, da bereits im medizinischen System verankert, Problem: Etikettierung als Risikoträger |
Tab. 1: Charakteristika der Bevölkerungs- und (Hoch-)Risikogruppenstrategie (Quelle: Walter et al. 2023, S. 352)
Von Seiten der eher auf Hochrisikostrategie-Maßnahmen ausgerichteten Gerontopsychiatrie und Geriatrie wird zur Demenzprävention ebenfalls eine Kombination beider Strategien gefordert. In der Fachzeitschrift Lancet forderten Walsh et al. (2022) mit direktem Bezug auf Rose: „A whole-population approach is required for dementia risk reduction”. Sie illustrieren ihren Appell mit einer tabellarischen Übersicht von sechs Risikofaktoren und dazugehörigen Interventionsbeispielen. Diese reichen von personenbezogener medizinischer Prävention und Verhaltensänderung bis zum Eingriff in gesellschaftliche Strukturen, Gesetzgebungen und Produktionsweisen (Tab. 2).
| Hochrisikostrategie | Bevölkerungsstrategie |
Adipositas und Bewegungsmangel |
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Ungesunde Ernährung |
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Bluthochdruck |
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Rauchen |
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Geringe Bildung und Mangel an kognitiver Stimulation |
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Soziale Isolation und Einsamkeit |
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Tab. 2: Beispiele für Interventionen gegen personale und soziostrukturelle Demenz-Risikofaktoren unter Hochrisikostrategie und Bevölkerungsstrategie (nach: Walsh et al., 2022, e6; eigene Übersetzung)
Die COVID-19-Prävention
Will man (Hoch-)Risikostrategien und Bevölkerungsstrategien voneinander abgrenzen oder priorisieren, ist die Beziehung zwischen Exposition und Risiko entscheidend. Die Strategien schließen sich nicht gegenseitig aus. Übergänge zwischen ihnen sind fließend. Es ist in der Regel interventiv gerechtfertigt, Anstrengungen auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu konzentrieren und gleichzeitig das Risiko für die gesamte Population zu verringern.
Dies zeigte sich auch bei der COVID-19-Bekämpfung und -Prävention. Die seit 2020 verfolgten Ansätze lassen sich nach dem Raster von Tab. 1 charakterisieren. In Abhängigkeit von Inzidenzen, Krankheitslast, Hospitalisierungen und intensivmedizinischen Ressourcen wurden universelle Maßnahmen (Impfangebote bzw. -pflichten, Regeln der Alltagshygiene, Maskenpflicht und Abstandshaltung) kombiniert mit selektiven und indizierten Strategien bei vulnerablen und hochvulnerablen Risikogruppen. Zu den letzteren zählen u. a.: prioritäre Impfungen von Älteren, von Menschen mit Vorerkrankungen und von beruflich hoch exponierten Menschen; Testangebote und Nachweispflichten für Pflegende, Angehörige, Arbeitende; zeitweilige Isolation von Infizierten und Hochgefährdeten; Quarantäne von Infizierten und Kontaktpersonen; Mobilitätseinschränkungen und Kontaktverbote mit temporären Schließungen in Betrieben, Hochschulen, Schulen, Kindergärten; Flexibilisierung und gefahrenmindernde Verlagerung von Arbeitszeiten und -plätzen.
Kritik und Weiterentwicklung
In angloamerikanischen Diskursen zur Public Health und Public Health-Ethik hat die von den kanadischen Sozialwissenschaftlerinnen Frohlich & Potvin bereits 2008 formulierte Kritik „The prevention paradox or inequality paradox?“ einen wichtigen Denkanstoß gegeben. Gemeint ist, dass reine Bevölkerungsstrategien im Rose‘schen Sinne unbeabsichtigt negativ wirken können, da sie soziale und gesundheitliche Ungleichheiten verstärken und verschlimmern können. Durch die unausgewogene Nutzenbilanz könnten soziale Differenzen in den Gesundheitschancen noch verstärkt werden. Denn sozial besser positionierte und höher gebildete Menschen mit niedrigem Ausgangsrisiko profitieren in aller Regel disproportional stärker von Bevölkerungsstrategie-Maßnahmen.
Die Bevölkerungsstrategie betrachtet nach Frohlich & Potvin „fundamentale Ursachen“ nur unzureichend: sie vernachlässigt soziale Determinanten von Gesundheit, Risiko und Krankheit. Als Belege für diese Kritik werden Ergebnisse von Cochrane-Database Reviews seit den 2010-er Jahren herangezogen. Den großen US-basierten kardiovaskulären Risikofaktoren-Interventionen sowie den weit gestreuten Healthy Heart Programmes waren eine bevölkerungsweit unbefriedigende Effektivität sowie stark begrenzte und sozial ungleich verteilte Nachhaltigkeit in der Verhaltensänderung zu attestieren (exemplarisch: Uthman et al., 2015). Daher sind rein epidemiologisch begründete, nur oder vorwiegend universell angelegte Bevölkerungsstrategien in der Prävention kritisch zu prüfen. Konsequente Vorbeugung und frühe Intervention sollten vorrangig bei sozialen Determinanten ansetzen. Jeder bevölkerungsbezogene Ansatz muss auch eine Konzentration auf gefährdete Bevölkerungsgruppen ausweisen.
Rose hat sich allerdings früh offen für diese Position gezeigt. Für ihn gilt der Vorrang sozialer Gesundheitsdeterminanten in der und für die Prävention. So lauten die Schlusssätze seines Hauptwerks „The Strategy of Preventive Medicine“: „Die primären Determinanten von Krankheiten sind vor allem wirtschaftlicher und sozialer Natur, und daher müssen auch ihre Heilmittel [orig.: remedies] wirtschaftlich und sozial sein. Medizin und Politik können und sollten nicht voneinander getrennt werden.“ (1992, S. 129, eigene Übersetzung; siehe auch Marmot, 2001).
Das Inequality Paradox wird in Deutschland auch unter den Begrifflichkeiten Präventionsdilemma bzw. Soziales Dilemma der Gesundheitsförderung diskutiert. Insbesondere in den Frühen Hilfen sowie im Rahmen der Zielgruppenorientierung (Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren) (vgl. Bauer & Bittlingmayer, 2020). Das Präventionsdilemma wird im Leitbegriff Prävention und Krankheitsprävention beschrieben und kritisch gewichtet.
Literatur:
Bauer, U. & Bittlingmayer, U. H. (2020). Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung: Das Beispiel ungleicher Lebenslagen. In O. Razum & P. Kolip (Hrsg.), Handbuch Gesundheitswissenschaften (S. 710−735). Juventa.
Frohlich, K. L. & Potvin, L. (2008). The inequality paradox: The population approach and vulnerable populations. American Journal of Public Health, 98(2), 216−221. http://dx.doi.org/10.2105/AJPH.2007.114777
Marmot, M. (2001). Economic and social determinants of disease. Bulletin of the World Health Organization, 79(10), 988−989.
Rose, G. (1981). Strategy of prevention: Lessons from cardiovascular disease. British Medical Journal 1981(282), 1.847−1.851.
Rose, G. (1985). Sick individuals and sick populations. International Journal of Epidemiology 1985(14), 32−38 (Wiederabdruck in: Journal of Epidemiology 2001(30), 427−432). https://doi.org/10.1093/ije/30.3.427
Rose, G. A. (1992). The Strategy of Preventive Medicine. Oxford University Press.
Uthman, O. A. et al. (2015). Multiple risk factor interventions for primary prevention of cardiovascular disease in low‐ and middle‐income countries. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2015(8). https://doi.org/10.1002/14651858.CD011163.pub2
Walsh, S. et al. (2022). A whole-population approach is required for dementia risk reduction. Lancet Healthy Longevity 2022(3), e6−e8. https://doi: 10.1016/S2666-7568(21)00301-9
Walter, U. et al. (2023). Prävention. In F. Schwartz et al. (Hrsg.), Public Health – Gesundheit und Gesundheitswesen (S. 337-365).Urban & Fischer (Elsevier).
WHO − World Health Organization (2002). World health report 2002 – Reducing risks, promoting healthy life. Geneva: WHO.
Verweise:
Determinanten der Gesundheit, Frühe Hilfen, Prävention und Krankheitsprävention, Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell, Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren